Sonntag, 21. Mai 2006

Grund zur Freude?


Radio Berg. Die Moderatorin spielt "Sorry" und erzählt anschließend, dass Oma Madonna zwei Mal in Deutschland auftreten werde. Dann zitiert sie die Künstlerin mit den Worten: "Ich werde die ganze Welt in eine Tanzfläche verwandeln." Bevor ich mir über die Tragweite dieser Ankündigung Gedanken machen kann, legt die Moderatorin nach: "Da freuen wir uns drauf."
Wo ich mich drauf freue – nein: Worauf ich mich freue, sind Moderatoren, die mit korrektem Deutsch als Vorbild für die Pisa-gebeutelte Boah-ey-Jugend dienen könnten. Wirklich, darauf freuen wir uns.
Im Fernsehen läuft gerade die "Neu für Alt Aktion" von Braun: Alter Rasierapparat gegen neuen. Beim Anblick des Werbespots merke ich: Auf Werbetexter, die korrektes Deutsch verwenden, freuen wir uns auch. Nicht nur im Rahmen der Neu-für-Alt-Aktion, sondern auch bei Frühlingsgemüseeintöpfen, die zurzeit mit "Frühlings Gemüse Eintopf" beschriftet sind.
Um diese Kleinigkeiten von professionellen Schreibern einzufordern, muss man nicht unbedingt Prallsack statt Airbag sagen wollen oder übernehmen statt downloaden. Da hab ich kein Problem mit.

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© Julius Moll

Dienstag, 16. Mai 2006

www.ichkennkeinodonkor.de


Nein, man muss nicht alles wissen und kennen. Zurzeit ist man vermutlich sogar gebenedeit, wenn man sich für ein bestimmtes Thema nicht interessiert: für Fußball. Wenn selbst auf dem Blumenmaimarkt kleine Flutlichtbälle zwischen den Frühlingsblumen hängen und in jedem Verkaufsstand der Slogan zu lesen ist: "Mit Blumen die Nummer 1" – dann ist die Zeit des kollektiven Wahnsinns nicht mehr allzu weit.
Apropos Wahnsinn: Der Bundestrainer benennt 23 Bedauernswerte, die für 80 Millionen Fachleute die Kohlen aus dem Feuer bzw. die Punkte aus dem Stadion holen müssen. Na ja, müssen ist vielleicht übertrieben; wenn man 357 Millionen Euro pro Stunde verdient, kann von müssen keine Rede mehr sein. Aber da geht es irgendwo um die Ehre – wenn man nicht berufen wird, ist man zwar auch reich, aber man spielt einfach zu beschissen. Und ein Trikot von Ronaldinho wird man auch nicht kriegen.
Nun werden sich einige gefragt haben, warum der Bundestrainer David Odonkor berufen hat bzw. was genau ein Odonkor eigentlich ist. Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen ist es ein wieselflinkes Wesen, dass auch ohne Ball schneller ist als die gegnerische Verteidigung und in nahezu allen Spielsituationen die Torauslinie eher erreicht als Gegenspieler und Ball. Aber das allein kann nicht der Grund für die Berufung gewesen sein. Vermutlich hat der Bundestrainer gedacht: Wenn ich den Odonkor kaum kenne, dann werden ihn die anderen Trainer erst recht nicht kennen. Und bei einem solch knallharten Turnier kann ein Promille Unsicherheit schon der Untergang sein. Warum diesen Vorteil nicht nutzen? Und dann gleich doppelt – während der Gegner noch verzweifelt versucht herauszufinden, in welcher Hitparade Mike Hanke zurzeit platziert ist, schickt das deutsche Team Odonkor für Hitzlsperger aufs Feld.
Man muss sich die Spiele übrigens nicht ansehen. Es gibt einen Aus-Knopf am Fernseher, und andere Programme – zumal aus anderen Ländern – werden ebenfalls fußballlose Programmteile senden. Daneben ist auch der Griff zum Bücherregal trotz anderslautender Gerüchte gesellschaftlich noch nicht verpönt. Wenn es kein Roman oder Lyrikband sein soll, dann vielleicht ein Nachschlagewerk. M, N, O, Od, Odo … Ach, nein, lassen wir das!

P.S.: Hiermit drohe ich übrigens jeder und jedem drakonische juristische Rachefeldzüge an, die oder der die URL www.ichkennkeinodonkor.de nach dem heutigen Tage online stellt. Wenn doch, verlange ich zudem 60% aller damit verbundenen Einnahmen.

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© Julius Moll

Samstag, 6. Mai 2006

1.500.000.000.000


Anderthalb Billionen ist eine Menge, deren umfassende Würdigung sich unseren beschränkten Sinnen entzieht. Wir können sie nur annähernd verstehen, indem wir Hilfskonstrukte zu Rate ziehen – wie etwa dieses: Stellen wir uns vor, wir flögen mit einem Raumschiff durch die kosmische Leere und plötzlich tauchen vor uns 750 Planeten auf. All diese Planeten sehen so aus wie unsere Erde.
Auf jeder Erde leben 6,5 Milliarden Menschen. Wir wissen alle, dass allein diese Zahl unsere Vorstellungskraft überfordert. Nehmen wir einmal an, drei hintereinander stehende Menschen benötigen rund einen Meter Platz. Dann ergeben sechseinhalb Milliarden Menschen eng hintereinandergestellt eine Schlange von rund 2 Milliarden Metern – das sind 2 Millionen Kilometer. Von der Erde bis zum Mond sind es rund 380.000 Kilometer. Mit anderen Worten: Alle Menschen der Erde ergeben eine Schlange, die mehr als fünfmal so lang ist wie die Entfernung Erde-Mond.
Nun liegt im All vor uns nicht nur eine Erde, sondern gleich siebenhundertundfünfzig! Alle Bewohner zusammen bilden nun eine Schlange von 1500 Millionen Kilometern – 1.500.000.000! Das ist über den Daumen gepeilt viermal die Strecke von der Erde zur Sonne. Und vor allem: Es sind 1,5 Billionen Meter.
Wie waren wir darauf eigentlich gekommen? Ach ja – die Staatsschulden: Anderthalb Billionen Euro und steigend. Wenn man einen Moment darüber nachdenkt, kann ein kurzes Schwindelgefühl aufkommen. Aber ist die Lage wirklich so ernst und unlösbar?
Nein, nicht unbedingt. Dazu vergleichen wir erneut einige Zahlen, und dieses Mal geht es viel schneller: Anderthalb Billionen Euro geteilt durch die Anzahl der Bundesbürger ergibt rund 18.200 Euro pro Kopf. Das hört sich nicht mehr ganz so schlimm an und entspricht ungefähr dem Neupreis eines Mittelklasseautos. Nun stellt sich die Frage: Was tun? Die Zinsen, die wir alle für diese Schulden zahlen, sind enorm (bei 4% sind es 60 Milliarden pro Jahr). Aber sind diese Zahlungen nötig?
Was wäre denn, wenn jeder von uns, sagen wir mal, 45.000 Euro an Geldvermögen hätte? Würden Sie dann lieber die Zinsen bedienen (vom Schulden tilgen reden wir gar nicht!) oder vielleicht aus Ihrem Vermögen die Schulden komplett begleichen und sich somit die Zinsen sparen?
Meine Lösung kenne ich: Ich zahle ungern Zinsen. Nun werden Sie denken: Schön und gut, was er da schreibt, aber ich habe keine 45.000 Euro. Nun, das mag sein, aber eine Studie des Bankenverbandes hat beispielsweise für das Jahr 2002 ergeben, dass das durchschnittliche Geldvermögen in Deutschland bei eben diesen 45.000 Euro lag. Kommt Ihnen da eine Idee? Mir auch.
Nun kann man natürlich kurz darüber nachdenken, dass 18.200 Euro eine schöne Stange Geld ist und dass man die lieber behalten würde, als sie ins Staatssäckel zu zahlen. Das stimmt nur auf den ersten Blick. Denn wenn man dies tut, braucht der Staat die Zinsen nicht mehr zu bedienen und kann die Steuern beträchtlich senken. Da sind die 18.200 Euro schneller wieder auf den Konten, als man "Staatsverschuldung" sagen kann.

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© Julius Moll