Sonntag, 23. März 2008

Beinhaltetest


Als ich das Wort erstmals las, stand es am Anfang des Satzes. Vermutlich ist es mir deshalb aufgefallen. Beinhaltetest.
Ich muss zugeben, dass ich zunächst keine richtige Vorstellung davon hatte, was genau ein Beinhaltetest sein könnte. Und was tut man in solchen Fällen gerne? Richtig: verdrängen!
Die Taktik funktionierte fast genau zwei Wochen. Da kaufte ich mir nämlich eine schöne geriegelte Buchenplatte, um mir einen kleinen Schreibtisch zu bauen. Runde Buchenbeine mit eingelassenem Gewinde gab es auch gleich dazu; man musste sie nur noch an der Platte befestigen. Alles sehr schön und recht einfach, aber ich wollte dem Braten nicht gleich trauen. Wie konnte ich sicher sein, dass die eingeschraubten Tischbeine auch mal einen seitlichen Stoß abfedern konnten, ohne sich gleich samt Gewinde aus der Buchenplatte zu verabschieden? Und da war es plötzlich wieder zurück, das Wort. Endlich beschlich mich eine Ahnung, was ein Beinhaltetest sein könnte und wofür er nützlich sein könnte. Die Testreihen, die ich mir dazu ausdachte, habe ich dann doch nicht durchgeführt. Irgendwie hatte ich Bedenken, dass der Tisch dem Test nicht standhalten könnte, und dann wäre ich zwar schlauer gewesen, aber eben ohne Schreibtisch. Dann lieber in Ungewissheit daran sitzen und schreiben.
Als meine Frau einige Tage später monierte, dass ich mich auf Grund des neuen Schreibtisches nun gar nicht mehr bewege, setzte ich mich auf den Teppich, kreuzte die Arme vor der Brust und hob die ausgestreckten Beine zehn Zentimeter an. „Komm“, sagte ich, „mach doch erst mal den Beinhaltetest, bevor du an mir herummäkelst. Wetten, dass ich länger kann?“
Sie vermuten richtig: Ich habe natürlich verloren. Aber dafür durfte ich einige Tage darauf zu einem Geschäftstermin nach San Francisco fliegen; erst von Köln nach London, von da aus direkt nach SF. Rund 12 Stunden im Sitz eingeklemmt; da ist man gespannt, ob die Beine halten, ohne spontan zu thrombieren. Ein Beinhaltetest also an Bord einer Boeing. Mäßig interessant und ermüdend.
Das Frühjahrswetter in Kalifornien war herrlich. Ich bin nach dem Meeting gleich in den Mietwagen gehüpft und in die Sierra gefahren, Richtung Lake Tahoe. Am Donner-Pass lag noch Schnee, und die Reklame für die Skigebiete machte Appetit auf ein paar schneidige Abfahrten. Kurz darauf verbreite ich auf der „Evel Knievel“-Abfahrt bereits Angst und Schrecken, und nicht nur dort, sondern auch in mir selbst. Zumal, da ich mit meinen Leihbrettern ungeplant auf eine Buckelpiste abbog. „Moguls“, so weit das Auge reichte. Eine Herausforderung und ein wirklicher Beinhaltetest. Immerhin waren sie noch dran und unversehrt, als ich am nächsten Nachmittag den Rückflug antrat und somit erneut testen durfte.
Doch nun genug des einleitenden Geplänkels. Was das Wort eigentlich bedeutet, erfuhr ich erst nach meiner Rückkehr. Meine Frau hantierte mit irgendetwas im Schlafzimmer herum, und ich hörte mit einem Ohr, wie sie zu ihrem Schmuckkästchen sagte: „Beinhaltetest du doch echte Diamanten!“
Zapperlot! Der Konjunktiv II von beinhalten. Beinhaltetest. Darauf muss man ja auch erst mal kommen, wenn man es liest und nicht hört. Eines der vielen Wörter, die man gesprochen so gut wie nie hört, sondern nur bei weit hergeholten Grammatikübungen wissen sollte. Außer natürlich, man hat eine gebildete Gemahlin, die auch bei Herzensangelegenheiten den Konjunktiv verwenden kann, ohne lächerlich zu wirken.
Das Ganze funktioniert mit Abstrichen auch als Imperfekt, allerdings nicht am Satzanfang und daher klein geschrieben – wenn ich nämlich zu der leeren Pappschachtel mit dem bunten Aufdruck sage: „Als du noch Schokoküsse beinhaltetest, warst du mir lieber.“

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©2008 Julius Moll

Donnerstag, 24. Januar 2008

Gelb ist der Kuchen.



Nun gibt es ja viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die man verstehen kann, wenn man will. Es gibt aber auch genügend andere, bei denen das Verstehen schwerer fällt. Nehmen wir beispielsweise mal ein Produkt bei Amazon.com, und zwar dies hier: http://www.amazon.com/Uranium-Ore/dp/B000796XXM. Es handelt sich um eine Dose radioaktives Uran-Erz zum Preis von 22,95 Dollar. Wie man einigen Kundenmeinungen entnehmen kann, eignet sich das Produkt glücklicherweise kaum oder nur sehr bedingt zum Bau von widerlichen Waffen. Ähnliches gilt übrigens für den Yellow Cake Mix von Duncan Hines (http://www.amazon.com/gp/product/B0002IMS5K), dessen Produktname nicht hält, was er andeutet.
Aber kommen wir noch mal zurück auf die Dose Uran. Mehr als die Tatsache, dass man das einfach so kaufen und sich zuschicken lassen kann, verblüfft die Aufstellung der fünf Produkte, die sich Leute am häufigsten bei Amazon angesehen haben, nachdem sie die Urandosen-Seite besucht hatten.
Da gibt es zunächst einmal den JL421 Badonkadonk Land Cruiser, eine Art Individualpanzer für 19.999,95 Dollar (sagen wir also: rund 20.000 Bucks). Für vorsichtige und introvertierte Menschen sicher eine echte Alternative auch für den Stadtverkehr.
Produkt Nummer 2: Dr. John's Famous Pee Pee, eine Phiole synthetischen Urins, den man bei Einstellungsuntersuchungen statt des eigenen einsetzen kann, wenn man Bedenken hat, man könnte sonst durchfallen; beispielsweise dann, wenn man vorher zu lange mit dem gekauften Uran herumgespielt hat und radioaktiv kontaminiert ist.
Nummer 3: Ein Buch, aber nicht über Kernenergie, sondern mit dem Titel "Tickle His Pickle" – eine Anleitung für erfolgreichen Oralverkehr. Dazu irgendwie passend Produkt Nr. 4, ein Micro G-String Thong Ring Panty, damit der Partner auch Lust auf Tickle His Pickle kriegt. Vermutlich bedarf es besonderer Techniken, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen, der sich gerade intensiv mit kerntechnischen Details beschäftigt.
Und schließlich fünftens: eine Kiste mit 36 Stinkbomben-Kapseln. Vermutlich machte sich hier bei den Uran-Interessierten die Erkenntnis breit, dass man außer 100.000.000 Uranerz-Dosen von Amazon auch noch andere Dinge bräuchte, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Unter anderem wird da auch der eigene Kontostand eine Rolle spielen. Da heißt es, nach Schnäppchen Ausschau zu halten.
Na dann: Good shopping, oder wie das heißt.

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©2008 Julius Moll

Montag, 21. Januar 2008

Trennen und verbinden


Gestern im Fernsehen: Neues von der Sprachverhunzungsfraktion. Diesmal quälte man mich mit Bindestrich-Eskapaden. Auf der Heimfahrt im Auto war ich zwar schon vorgewärmt worden, als ich an Schildern vorbei fuhr, bei deren Entwurf eine Divis-Phobie spektakulär gewirkt hatte: "Bremsen Dienst, Tiger Wäsche, Motor Inspektion" an der Esso-Tankstelle, "Matratzen Markt" am Matratzen-Markt, "Fisch Spezialitäten" bei Fisch & Meer um die Ecke. Zu Hause dann hatte ich mir gerade eine Dose "Frühlings Gemüse Eintopf" aufgemacht und den ersten Löffel im Mund, da wäre mir die Frühlingsgemüsesuppe fast wieder herausgefallen. Die Reklame im Fernsehen verkündete "die Opel Qualitäts-Initiative".
Nun ist es ja so, dass man zunächst immer das Positive suchen soll, denn das stärkt das Selbstbewusstsein und hebt die Stimmung. Das Positive also hier: Es wurde ein Bindestrich verwendet. Zweifellos war dieser Bindestrich das Ergebnis eines erbitterten Ringens während der Entwicklungsphase des Reklamefilmchens, und das sollte man keineswegs unterbewerten. Irgendwer hat dafür den Kopf hingehalten, und das ist anerkennenswert.
Man fragt sich dennoch, wie es dazu kommen konnte? Ich stelle mir das so vor: Der Mensch vom Opel-Marketing trifft sich mit den Mitarbeitern der Werbeagentur, um die Schlagzeilen zu besprechen. Ein junger, germanistisch gebildeter, aufstrebender Werbetexter empfiehlt: "Die Opel-Qualitätsinitiative".
"Sehr schön, sehr schön. Aber finden Sie nicht, dass das Wort Qualitätsinitiative viel zu lang ist? Zu lang für unsere Zielgruppe? Kann man das nicht trennen?"
"Eigentlich nicht."
"Wieso nicht? Nehmen wir doch einfach einen Bindestrich. Das ist übersichtlicher."
"Sie meinen also: Die Opel-Qualitäts-Initiative?"
"Na, sehen Sie, das wirkt doch gleich ganz anders. Aber was soll denn dieser Strich hinter Opel? Machen Sie das weg! Opel muss immer alleine stehen, das ist doch ganz klar! Es heißt ja auch nicht: Ford-Motor Company."
Der junge Werbetexter ist verzweifelt, wagt dies jedoch nicht zu zeigen. Denn dann müsste er den Grund für seine Verzweiflung nennen, und dabei käme unweigerlich zur Sprache, dass der Marketing-Spezialist kein Germanist ist – um es höflich auszudrücken. Außerdem müsste die Frage aufgeworfen werden, ob es tatsächlich um die Qualität der Initiative geht oder doch eher um die Qualität der Opel-Autos. Und dann stünde womöglich am Ende die Erkenntnis, dass der ganze Spruch so nicht funktioniert.
"Also Opel Qualitäts-Initiative?" fragt der junge Mann konsterniert. Er weiß: Vorne fehlt ein Bindestrich, hinten ist einer zu viel, denn da hängt ja bereits ein s an Qualität und deutet an, dass man die beiden Wörter zusammenschreibt.
"Genau! Sehen Sie? Das ist doch gar nicht so schwer. Mit ein bisschen Routine haben Sie das in kürzester Zeit im Griff, Herr Schmidt."
So oder so ähnlich wird es vermutlich abgelaufen sein bei Opel. Sehr schade.
Nun wäre es im Grunde angebracht, den Bindestrichvergewaltigern die Internetseite der Kultusministerkonferenz zu empfehlen, um sich entsprechend weiter zu bilden. Besucht man diese Seite (www.kmk.org), bleibt allerdings auch der zweite Löffel Frühlingsgemüsesuppe im Halse stecken. Auf der Startseite steht: Kultusminister Konferenz.
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© Julius Moll